Herrgott, Maria!

Freitag, 30. Oktober 2015

Aus der Schüssel, die sie auftrug, dampfte es wie aus einem Fjord. Er hatte den ganzen Tag frei gehabt und keinen Handstrich im Haushalt getan. Erst schlief er bis fast zur Mittagsstunde, dann hockte er sich für einen langen Schiss auf den Abort und zu guter Letzt ließ er sich von seiner Frau bekochen und bedienen. Nun bekochte sie ihn bereits zum zweiten Mal an diesem Tage und bereitete das Abendmahl. Es war sein letztes Abendmahl, denn ab morgen würde er wieder mal für einige Wochen außer Haus leben.
   »Ich werde dann noch rüber zu Zac gehen«, sagte er ihr.
   »Du bist immer weg. Entweder treibst du dich mit deinen Kerlen herum oder du gehst zu Zac.«
Sie klang wie jemand, der sich zurückgesetzt fühlte.
   »Ich habe heute meinen freien Tag. Verdirb mir also nicht meine Freude. So spät werde ich ja auch nicht zurück sein.«
   Er schöpfte sich was von der Suppe in seinen Teller und fing an sie zu schlürfen.
   »Wird sie auch dort sein?«
   »Wen meinst du?«
   »Sie. Du weißt genau, wen ich meine.«
   »Maria? - Keine Ahnung.«
   »Natürlich wird sie dort sein. Sie ist immer dort. Ganz nah an den Jungs.«

Er schlürfte weiter und äugte argwöhnisch zu ihr herüber. Was würde jetzt wieder von ihr kommen? Sie aber fuhrwerkte noch am Herd herum.
   »Was soll denn das heißen?«
   »Was das heißen soll? Sie ist eine Nutte. Dort macht sie ihre Geschäfte.«
   »Woher hast du denn das?«
   »Die Leute im Ort sagen das alle. Jeder sagt, dass Maria eine ist, die für Geld an Männern herumlutscht.«
   Er schöpfte sich nach und sie legte den Lappen weg und stierte ihn an.
   »Es wird viel geredet, Baby. Ich glaube nicht, dass sie eine solche Frau ist.«
   »Und wieso räkelt sie sich dann Abend für Abend bei Zac an der Theke?«
   »Woher soll ich das wissen? Sie hat keinen Mann, sie wird einsam sein und Unterhaltung suchen.«
   Sie winkte ab und machte sich wieder an die Arbeit. Er hingegen war mal wieder genervt. Frauen haben ja ein Gespür für Nebenbuhlerinnen. Und Maria war eine. Sie lag goldrichtig. Es stimmte, sie schaffte an. Und überdies waren er und Maria ein Liebespaar.
   Maria nahm nicht wenig ein an einem Arbeitstag. Sie war gut in ihrem Job. Tagsüber empfing sie Männer in ihrem Haus. Abends sahnte sie bei Zac ab. Da kam ein hübsches Sümmchen zusammen. Und weil sie so schrecklich vernarrt war in ihren Liebling, gab sie ihm ab und an einen Obolus ab. Als Anerkennung. Denn wer liebte schon eine wie sie …
   »Weißt du, du bist so viel mit deinen Kerlen unterwegs. Hast so wenig Zeit, mit mir mal einen Abend zu verbringen, bist selbst die meiste Zeit über Nacht im Außendienst. Und nun musst du auch noch zu Zac.«
   »Baby, ich will doch nur mal einen freien Abend genießen. Du sagst ja selbst, dass ich immer im Dienst bin. Du könntest mir einen netten Abend drüben bei Zac schon mal gönnen.«
   »Ich muss es ja eh akzeptieren. Wann hast du schon mal auf mich gehört?«
Vor einigen Monaten hatte sie ihm eine Szene gemacht, weil er wieder mal zu den Jungs flüchtete. Erst bat er sie um den nötigen Respekt. Aber sie verweigerte ihn und schimpfte los. Da machte er kurzen Prozess und donnerte ihr eine auf die rechte Wange. Sie fiel zu Boden und halb wirr im Kopf überlegte sie kurz, ob sie ihm auch noch die linke Wange hinhalten sollte.
   Das war ihr eine Lehre.
   »Dann versprich mir wenigstens, dass du dich von diesem Luder nicht angraben lässt.«
   »Wo denkst du hin. Ich habe mit Maria kaum ein Wort gewechselt bislang.«
   »Versprich es mir.«
   »Na, komm mal her zu mir.«
   Sie tanzte zögerlich an. Er fasste sie um die Hüfte, zog sie zu sich, lupfte ihr Kleid und küsste ihr die Brüste und versuchte sie mit seinen Zähnen zu erwischen.
   Sie aber entzog sich ihm.
   »Hör auf damit. Komm früh genug heim und das alles gehört dir«, lockte sie ihn.
   »Auch das hier?«
   Er zog sie wieder zu sich heran und grapschte ihr unter den Rock und drang in ihren Pelz ein. Sie war trocken wie vierzig Tage Wüste.
   »Das war aber auch schon mal feuchter, Baby.«
   »Du warst auch schon mal liebevoller.«
   Sie schob sich wieder von ihm weg.
   »Versprich es jetzt endlich.«
   »Was denkst du eigentlich von mir? Ich bin ein anständiger Ehemann. Wer braucht Maria, wenn er das hier haben kann.«
   Er deutete auf sie und ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen.
   »Du kannst so süß sein, wenn du willst.«
   »Darf ich dir nochmal an den Schoß, meine Schöne?«
   »Geh jetzt zu Zac, kipp dort das, was du kippen musst und komm schnell heim. Ich ziehe mich aus und warte im Bett auf dich.«
   Ein leichtes Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Ob er später von dem Angebot Gebrauch machen würde, lag nun ganz in Marias Ermessen.
   »Oh Baby, du machst mich noch immer ganz verrückt.«
   »Bleib da, dann kriegst du mich gleich.«
   »Ich muss zu Zac, muss noch kurz was bereden.«
   Morgen wollte er wieder auf Tour gehen und Maria sollte sich bereithalten. Das wollte er ihr sagen. Er hatte sie schon öfter dabei gehabt, wenn er mit seinen Jungs durch die Lande zog. Das war die beste Zeit für ihn. Sie bot ihre Dienste in allerlei Städten und Dörfer feil, verdiente was für die gemeinsame Kasse und abends nach getaner Sexarbeit lag sie bei ihm auf der Matte und tat das, was sie am besten konnte.
   Vielleicht hatte Maria ja auch noch einige Groschen für ihn übrig. Er konnte sie gut gebrauchen.
Seine Frau hingegen war enttäuscht. Sie bot ihm hier ihren Körper an und nicht mal jetzt ließ er sich ködern. Das war früher alles anders. Die Leute da draußen, dachte sie sich, die denken alle, dass mein Mann ein ganz großer Akt ist. Ein Macher. Eine Persönlichkeit. Aber in Wirklichkeit ist er ein Trinker, wahrscheinlich einer, der es mit anderen Frauen treibt und dann im ehelichen Bett nicht mal mehr hochgeht.
   Früher hatte er noch einen bürgerlichen Beruf. Schreiner. Er war ein anständiger Kerl gewesen. Ging seinem Job nach, klopfte seiner Frau auf den Arsch und begehrte sie so oft, dass sie manchmal glaubte, sie täten nichts anderes. Es war eine herrliche Zeit gewesen.
   Klar, er trank damals schon nicht schlecht. Aber der Rausch trübte sein Wesen nicht. Und sie liebte ihn inständig. Irgendwann kam er auf den Trichter, mehr aus seinem Leben machen zu wollen. Er trommelte eine Horde ungewaschener Hippies um sich und zog über die Felder. Sie hielten Sessions und Gigs ab und die Leute liebten ihre Zaubershow. So blieb er manchmal wochenlang weg und das entfremdete ihn abermals.
   Nach einer Weile wurden Gerüchte an sie herangetragen. Angeblich würde er sich mit anderen Frauen abgeben, während er auf Tour war. Leichte Mädchen. Groupies, die entzückt ihre Schenkel spreizten. Sie nahm es hin. Was konnte sie schon ändern?
   »Kannst du das nicht auf morgen verschieben mit Zac?«
   »Morgen bin ich doch wieder unterwegs, Baby. Das weißt du doch.«
   »Na gut. Ich werde auf dich warten. Nackt.«
   Sie funkelte ihn an, aber er reagierte nicht. Sah durch sie durch. Da startete sie ein letztes Manöver.
   »Schatz, ich möchte dich haben da unten, lass mich nicht zu lange warten.«
   »Ein wenig Geduld, Baby, ich bin wirklich bald zurück.«
   »Du gehst wirklich nicht wegen ihr zu Zac, oder?«
   »Nein, wirklich nicht.«
   Er fragte sich, wie er Maria befriedigen und dann noch im Saft stehen konnte, um seine Frau zu beglücken. Es schien ihm aussichtslos. Er stand vor einem Dilemma. Im Treffen von Entscheidungen war er nicht besonders geübt. Meist entschied Maria für ihn. Er würde sie fragen müssen.
   Er erhob sich vom Tisch, küsste seine Frau auf die Wange und dachte sich, dass er eigentlich ein ziemlich mieser Typ ist. Dann sah er sie an und ihm kam in den Sinn, dass er ja auch nicht wisse, was sie so treibe, während er durch die Lande tingelte. Es war doch so: Wer nichts ausgefressen hat, sollte mal den ersten Stein werfen. Der Spruch gefiel ihm. Er wollte ihn sich merken und bei Gelegenheit benutzen.

Dann zog sich Jesus, den sie Christus nannten, seine Sandalen an und ging ins Bordell, das Zac im Hinterzimmer seiner Kneipe leitete. Bevor er die Hütte verließ, rief er ihr noch was von »Meinung« und »Zerstörung« und irgendwas, dass sich wie »TTIP« anhörte hinein. Wenn er der Messias war, dann sprach er halt gerne mystisch und in Rätseln.

4 Kommentare:

KwakuAnansi 30. Oktober 2015 um 18:14  

Bin ehrlich verblüfft.
Daumen hoch.

Anonym 30. Oktober 2015 um 23:01  

Ich finds nicht richtig, hier eine solche Geschichte über Jesus zu schreiben, auch wenn sie durchaus kunstvoll formuliert ist.

Die Bergpredigt müsste eigentlich jeder Linke unterschreiben können.

Wieso Du, Roberto, hier auf der historischen Person Jesus herumhackst, kann ich nicht nachvollziehen. Man kann den sog. "christlichen" Parteien und auch der Katholischen und Evangelischen Kirche sehr viel nachsagen, aber das ändert an der Botschaft der Bergpredigt nichts.

Ich habe noch nie verstanden, weshalb Linke in Deutschland sich so vehement gegen insbesondere dem Katholizismus abgrenzen müssen. Der Katholizismus ist übrigens auch ein Gegenpol zum Kapitalismus. Aber lieber stirbt man mit reinem linken Gewissen, als sich einmal zu verbünden gegen die Kräfte, die uns alle unterjochen.

Du machst es den Neoliberalen wirklich sehr leicht.

Anonym 1. November 2015 um 08:42  

He, he....dazu paßt, dass ich neulich las, dass Jesus Herkunft "zweifelhafter Natur" ist weil seine Mutter Maria "Umgang mit den römischen Besatzern" (!) gehabt haben soll - so ein kritischer Theologe in einem erst neulich erschienenen Buch....

Und laut dem ägyptischen Sohn, und Islamkritiker, Hamed Abdel-Sammad, dem neuen Buch "Mohamed" gibt es Hinweise darauf, dass sogar der islamische Prophet von "zweifelhafter Herkunft" gewesen sein soll, er behauptet sogar, nachweisbar, dass dessen Mutter tatsächlich eine "Dame der Nacht", soll heißen eine Prostituierte, gewesen sein soll....solch einen islamisch-kritischen Hinweis brauchte dem Autor eine Todes-Fatwa in Ägypten ein....

Auch egal, denn der eigentliche Begründer des Christentums soll der zynische, verbitterte alte Paulus von Tharsus gewesen sein.....

Nur mal so am Rande erwähnt:

Von wegen vom "Saulus zum Paulus", der hat seine Verfolgergeschichte nur umgedreht, denn nach seinem "Erweckungserlebnis" wurde er statt "Christenverfolger" zum schlimmsten Heidenverfolger aller Zeiten....die untergegangene römische Kultur zeugt heute noch davon....

Grüße
Bernie

Anonym 1. November 2015 um 19:43  

Kleine Ergänzung:

"Das Leben des Brian" lag also richtig, Jesus Christus war der uneheliche Sohn einer Maria, die Umgang mit römischen Besatzungssoldaten pflegte.

Die Erklärung von der "unbefleckten Empfängnis" ergibt sich übrigens von selbst wenn man weiß was damals mit Müttern unehelicher Kinder geschehen sein soll

Es war reiner Selbstschutz Marias die Geschichte mit dem "Sohn Gottes" zu erfinden....und Monty Phyton hat die Geschichte auf einen gewissen "Brian" gemünzt, die eigentlich Jesus selbst beschreiben sollte....zeitlos mutig diese Tat....von John Cleese & seiner Truppe....und immer noch hochaktuell wie man heute wieder sieht....

Ein gewisser "anonym" schreibt:

"[...]Du machst es den Neoliberalen wirklich sehr leicht[...]"

Das tun schon die christlichen Kirchen, und die sogenannten Christen, selbst, denn Neoliberaliban sind auch gläubige Christen und Kirchenvertreter, die sich meilenweit von der ursprünglichen Absicht des Christentums - der Nächstenliebe - entfernt haben, und (neoliberale) Berater anheuern statt diese zu bekämpfen....

Nichts für ungut, aber die evangelische und katholische Kirche sind selbst Neoliberale, auch wenn die das abstreiten, dass hilft nicht....denn wie heißt es so schön in der christlichen Bibel?

"Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie messen"

Die heutigen "Pharisäer und Schriftgelehrten" findet man eben nicht mehr in jüdischen Tempeln sondern in beiden Großkirchen Deutschlands....und anderen religiösen Gemeinschaften, die ums neue "Goldene Kalb" namens Neoliberalismus tanzen....

Gruß
Bernie

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